Brückenbau: Risikoeinschätzung per Daumenkino
Was ist 802 Meter lang, 30.000 Tonnen schwer und schiebt sich langsam über den Rhein? Die neue A40-Brücke bei Duisburg, gebaut von einer Arbeitsgemeinschaft (ARGE) des Baukonzerns Hochtief und des Stahlbauspezialisten MCE. Und versichert von der VHV Allgemeine.
Im Juni 2020 begann der Bau von Deutschlands längster freispannender Schrägseilbrücke. Nach derzeitigem Planungsstand soll das Bauvorhaben 2026 abgeschlossen sein. Während des Baus fließt der Verkehr über die alte Brücke weiter. Die neue Brücke wird in zwei Teilen errichtet, ein Brückenteil je Fahrtrichtung. Bereits in diesem Jahr soll der Verkehr in beiden Richtungen dann auf den ersten neuen Brückenteil (Südbrücke) geleitet werden. Wenn der zweite Teil (Nordbrücke) fertig ist, wird der Verkehr über diesen Teil fließen. Der erste Brückenteil wird dann um 14,4 Meter quer verschoben und an den zweiten angedockt. Der Ersatzneubau direkt neben der alten Brücke wird über zwei Pylonen verfügen, die mit einem Abstand von 380 Metern errichtet werden. Ab 2030 werden werktags schätzungsweise rund 126.500 Fahrzeuge innerhalb von 24 Stunden die neue Brücke passieren. Die VHV Allgemeine ist führender Versicherer der ARGE für Bauleistung und Montage. Auftraggeberin für die ARGE ist die DEGES GmbH, die als Projektmanagementgesellschaft des Bundes und zwölf Bundesländern Bundesfernstraßen plant und baut.
Wichtig für die Risikoeinschätzung: Fragen stellen
„Das ist ein sehr komplexes und anspruchsvolles Projekt“, sagt Hermann Wulke, Gruppenleiter im Bereich Technische Versicherungen, der bei der VHV Allgemeine für das Projekt zuständig ist. „Um ein so großes Bauvorhaben zu versichern, muss man den Bauablauf und damit einhergehende Risiken verstehen“, sagt der Bauingenieur. „Deshalb stellen wir zunächst viele Fragen. Zum Beispiel, wer Versicherungsnehmer sein soll. Das klingt banal, ist aber bei großen Bauvorhaben, die oft von einer Arbeitsgemeinschaft mehrerer Firmen errichtet werden, elementar. Ziel ist immer das Gesamtprojekt und damit auch die gesamte ARGE zu versichern, da es im Versicherungsfall weniger Diskussionen bei der Abgrenzung eines Schadens gibt, was wiederum den Bearbeitungsaufwand reduziert.“
Bei Großprojekten gibt es sogenannte Bauphasenpläne, in denen der Bauablauf schrittweise mit neuralgischen Zwischenbauzuständen dargestellt wird. „Das ist sozusagen ein Daumenkino aus Bauplänen. Wir müssen das Projekt und seine bauliche Umsetzung verstehen, damit wir die Risiken einschätzen können. Erst dann verstehen wir das Versicherungsbedürfnis des Kunden und können ihn entsprechend beraten.“
Erfahrung spielt wichtige Rolle
Auch die Lage des Projekts spielt eine Rolle. Gibt es hier möglicherweise Naturgefahren wie Hochwasser oder können Nachbargebäude durch die Baumaßnahmen beschädigt werden? Wulke und sein Team interessiert auch, weshalb eine Baumaßnahme erfolgt. Speziell bei Infrastrukturmaßnahmen, wie etwa Brücken, ist die Lebensdauer mancher Bauwerke am Ende und die Gebrauchstauglichkeit steht in Frage, so dass der Ersatzneubau unter zeitlichem Druck erfolgen muss. Das wiederum erhöht das Risiko für Ausführungsfehler oder Bauunfälle. „Auch die Erfahrung eines Unternehmens in Bezug auf das jeweilige Projekt beziehen wir in unsere Risikobetrachtung mit ein. Bei diesem Projekt wird zum Beispiel ein ganzer Brückenteil um mehr als 14 Meter quer verschoben. Das ist höchst anspruchsvoll. Nicht jedes Bauunternehmen kann das. Hochtief hat bereits bei der Lennetalbrücke bei Hagen den Querverschub erfolgreich absolviert und verfügt somit über die nötige Expertise“, so Wulke.
Der Versicherungsschutz der VHV Allgemeine für den Bau der Brücke umfasst auch die so genannte Nachhaftung und versichert Schäden, die erst nach der Abnahme durch den Auftraggeber auftreten, deren Schadenursache aber bereits in der Bauzeit gelegt wurde. Auch Schäden an der umliegenden Bebauung durch den Abriss der alten Brücke sind bei diesem Projekt mitversichert.
Risikobegleitung vor Ort
Bei einem so großen Projekt bietet die VHV Allgemeine ein so genanntes Risk Engineering an, eine Risikobegleitung vor Ort. Dafür fährt Hermann Wulke meist einmal im Jahr zur Brücke und begeht die Baustelle mit dem Projektleiter. „Wir lassen uns zunächst den Baufortschritt erläutern und prüfen, ob Umplanungen oder Änderungen im Bauablauf eine Anpassung des Versicherungsschutzes notwendig machen. Außerdem geben wir Empfehlungen zur Schadensverhütung ab, wenn wir auf der Baustelle mögliche Gefahrenquellen erkennen“, erzählt Wulke.
Die VHV als Bauspezialversicherer
Als führender Bauspezialversicherer in Deutschland versichert die VHV Allgemeine zahlreiche große Bauvorhaben, neben der A40-Rheinbrücke zum Beispiel auch den Bau der fünften Schleusenkammer in Brunsbüttel, Europas größter Wasserbaustelle. Bei vielen weiteren Projekten trägt die VHV einen Teil des Risikos und versichert das Vorhaben gemeinsam mit weiteren Unternehmen in einem Konsortium, zum Beispiel bei einem Bauabschnitt des Brenner-Basis-Tunnels.
Weitere Informationen (Webcams, Zahlen und Filme) finden Sie auf der Website von Hochtief.
Hier finden Sie eine Visualisierung des Bauablaufs der DEGES.